22.1. Brief an OB Dr. Nopper zur Neujahrsrede

Administrator (Reinhard_net) on 22/01/2019

Neujahrsrede ohne zukunftsfähige Ziele

Am 12.1. hatte die BKZ einen Bericht zur Neujahrsrede des Backnanger Oberbürgermeisters Dr. Nopper veröffentlicht. Meine Gedanken dazu habe ich in einen Brief an ihn zusammen gefasst. Überraschend war Dr. Nopper am 17.1. beim Themenabend der LINKEn in Backnang erschienen und wollte unsere "Kritik aus linker Sicht" mit uns diskutieren.

Sehr geehrter Herr Dr. Nopper!

Die BKZ hat ihren Bericht über den Neujahrsempfang mit „Dicke Luft wegen Fahrverbote“ überschrieben. Im einleitenden Abschnitt heißt es dann: „… als Nopper … scharfe Kritik an den Dieselfahrverboten formulierte, ...“. Weiter unten im Artikel heißt es dann noch, die Debatten um die Dieselfahrverbote seien ein „Trauerspiel in acht Akten“.

Nicht alle Beteiligten in der Gesellschaft sind nach der Festsetzung des neuen Grenzwertes von 40 Mikrogramm durch die EU nach 2010 in einen Tiefschlaf gefallen. In der Gesellschaft gab es eine Reihe von großen Umweltverbänden (VCD, BUND, NABU usw.), wissenschaftlichen Instituten und sogar Parteien, die sich immer wieder zu Wort gemeldet hatten. Doch die regierende Politik hat sich von der Wirtschaft betäuben und einschläfern lassen. Aus diesem Tiefschlaf wurden sie nun urplötzlich und schmerzhaft von der DUH geweckt. Je später aber die Politik Maßnahmen zum Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschutz einleitet, desto teurer werden diese für uns Bürger.

Ihre Kritik am Aufstellungsort der Backnanger Messstelle wird auch nicht zutreffender, je öfter Sie diese wiederholen. Die Messstelle musste nach geltenden gesetzlichen Vorschriften an dem Ort mit den zu erwartenden höchsten Schadstoffwerten aufgestellt werden. Diesmal wurde nicht geltendes Recht gebeugt. Und das ärgert Sie?

Mir ist unbegreiflich, wie Sie als Verantwortlicher für die Lebensqualität in Backnang die Fakten zu den uns drohenden Umweltkatastrophen so sträflich vernachlässigen können. Zukunftsfähigkeit, dass heißt eine gleichbleibende oder bessere Lebensqualität, erreicht Backnang nur, wenn die schädlichen Umwelteinflüsse auf uns Menschen verringert werden. Schädliche Umwelteinflüsse sind lokal zum Beispiel, Verkehrslärm, Feinstaub und Stickoxide. Global kommen dann noch schädliche Klimagase wie das CO2 hinzu. Eine maßgebliche Quelle für all diese schädlichen Einflüsse auf unsere Lebensqualität ist die Mobilität, wie wir sie heute praktizieren.

Die Landesstiftung hat eine Mobilitätsstudie erstellen lassen, in der betrachtet wurde, mit welchem Mobilitätskonzept die gesellschaftlich vereinbarten Ziele für Klima- und Umweltschutz erreicht werden können. Ein wichtiges Ergebnis dieser Studie ist die Reduzierung des PKW Bestands um 85 % (!) bis 2050. Unter dieser Voraussetzung ist es mir unverständlich, wie Sie immer noch für einen Ausbau der B14 und die Verbreiterung des Autobahnzubringers werben können. Für 85 % weniger PKW wollen Sie heute noch unsere Steuergeld im Straßenneubau versenken.

In Frankreich ist inzwischen eine Begrenzung auf 80 km/h Höchstgeschwindigkeit auf Landstraßen eingeführt worden, in Schweden gilt sogar eine 70 km/h Begrenzung für Landstraßen. 80 km/h sind heute die normale Reisegeschwindigkeit auf dem Autobahnzubringer. Wozu also noch die Straße verbreitern? Sinkt damit der CO2 Ausstoß? Sinkt dadurch der Feinstaub? Sinkt damit der NOx Ausstoß? Wofür benötigen die 15 % CO2 neutralen PKW dann noch eine dreispurige B29?

Wie wollen Sie unser Klima und unsere Gesundheit schützen? Mit mehr Verkehrsaufkommen oder mit weniger Verkehrsaufkommen? Mit mehr Bodenversiegelung oder mit weniger Bodenversiegelung? Ich verstehe nicht, wie Sie mit ihren „weiter so“ Thesen die Zukunft der Stadt Backnang verspielen können.

Zum Schluss heißt es: „Auch ich will saubere Luft und weniger Umweltbelastung, allerdings ohne Fahrverbote, die wie Hamburg zeigt, gar nichts oder nur wenig bringen.“ Ja wie wollen Sie dann diese Ziele erreichen? Das lassen Sie unbeantwortet. Dabei wäre das ein wichtiger Inhalt für eine Neujahrsrede, besonders im Angesicht des letzten trockenen Sommers und des gerade katastrophalen Schneefalls am Alpenrand. Statt dessen fordern Sie nur mehr Straße, mehr Flächenverbrauch und weg mit den Fahrverboten.

Mit mehr und breiteren Straßen erreichen Sie diese Ziele nicht. Wo bleibt ihre Forderung noch Hardwareumrüstung für alle Diesel, die entgegen den technischen Daten deutlich schlechter bei der Umweltbelastung abschneiden? Das wäre eine Maßnahme die Wirkung zeigen könnte. Wo bleibt ihre Forderung nach einer autofreien Innenstadt? Wo bleibt Ihre Forderung nach einem bezahlbaren ÖPNV für alle? Wo bleibt ihre Forderung nach einer Netto Null Flächenversiegelung, wie sie schon der Ministerpräsident Öttinger 2006 aufgestellt hatte? Boden ist ein wertvoller CO2 Speicher. Je mehr Boden überbaut wird, desto weniger CO2 kann darin gespeichert werden.

Quellen:
https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.studie-zur-mobilitaet-land-muss-umdenken.9ba4d767-3dcb-4cc9-b7d2-2088a714e172.html
https://www.bwstiftung.de/mobiles-bw/
https://www.zdf.de/nachrichten/heute/tempo-achtzig-auf-frankreichs-landstrassen-100.html

Mit freundlichen Grüßen   Reinhard Muth

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