17.7. Wasserstoff - ein völlig unrealistisches Konzept
Nachdem zu meinem ersten Beitrag zur Entscheidung für Projekte zur Wasserstofftechnologie einige Rückmeldungen eingetroffen sind, habe ich noch einmal meine Gedanken dazu klarer gefasst und nieder geschrieben.
Wasserstoffprojekte im Rems-Murr-Kreis
ein völlig unrealistisches Konzept
Farbenlehre, die sechs Arten des Wasserstoff
Claus Beckmann, der bei der BASF intensiv die Erzeugung von Wasserstoff erforscht, stellte die verschiedenen Arten dieses Gases vor. Diese unterscheiden sich in Bezug auf die Erzeugung.
- Grüner Wasserstoff: Dieser Wasserstoff wird unter Einsatz von erneuerbarem Strom mit Hilfe der Elektrolyse aus Wasser erzeugt. Der Vorteil besteht hierbei in der Klimaneutralität dieses Prozesses. Problem ist allerdings, dass dafür viel Energie benötigt wird.
- Grauer Wasserstoff: Hier wird der Wasserstoff unter Nutzung fossiler Energieträger (Kohle, Erdgas, Öl) erzeugt. Problem dabei: Es wird CO2 freigesetzt. Damit ist grauer Wasserstoff nicht klimaneutral. Allerdings könnte grauer Wasserstoff für eine Übergangszeit notwendig sein, um diese Neuorganisation des Energieverbrauchs zum Beispiel im Wärmesektor anzuschieben.
- Blauer Wasserstoff: Hierbei handelt es sich eigentlich um grauen Wasserstoff. Allerdings wird bei der Erzeugung das dabei entstehende CO2 nicht in die Atmosphäre geleitet, sondern klimaneutral in unterirdischen Lagerstätten gespeichert.
- Türkiser Wasserstoff: Hier wird bei der Erzeugung ein anderes Verfahren angewendet, das von der BASF federführend entwickelt wurde. Es handelt sich um die so genannte Methanpyrolyse. Dabei wird das Gas Methan (Hauptbestandteil von Erd- bzw. Biogas) in Kohlenstoff und Wasserstoff aufgespalten. Der Kohlenstoff liegt dann in fester Form vor (siehe Foto) und kann in alten Bergwerksstollen eingelagert werden. Dieses Verfahren ist dann klimaneutral, wenn der dabei benötigte Strom aus erneuerbaren Energiequellen stammt. Vorteil dieses Verfahrens ist, dass bei der Herstellung wesentlich weniger Energie benötigt wird, als bei der Erzeugung des Blauen Wasserstoffs. Claus Beckmann erklärte, dass man hier von einem Faktor 5 ausgehen kann. Das hängt damit zusammen, dass der „Rohstoff“ Methan eben an sich bereits so viel mehr Energie enthält, als das Wasser, das bei der Erzeugung des Blauen Wasserstoffs eingesetzt wird.
- Roter Wasserstoff: Dieser Wasserstoff wird zwar klimaneutral erzeugt, allerdings mit Strom aus Kernkraftwerken, die ja Strom ohne CO2-Emissionen erzeugen. Dieser Ansatz wird zum Beispiel in Japan verfolgt, um den Heizungssektor mit Brennstoffzellenheizungen klimafreundlicher zu organisieren.
- Weißer Wasserstoff: Ist zwar selten, aber tatsächlich kann man in einigen Weltgegenden wie zum Beispiel in Afrika natürliche Vorkommen von Wasserstoff mittels Frackingtechnologien gewinnen.
Politik
Die Bundesregierung hat eine "Nationale Wasserstoffstrategie" beschlossen und will diese Technologie mit 300 Millionen Euro verstärkt fördern. Doch warum fördert die CDU mit Minister Altmaier an der Spitze die Wasserstofftechnologie, während von ihr der Kohleausstieg und die Installation von regenerativen Erzeugungsanlagen massiv ausgebremst wird? Um das Klima zu schützen oder um den Investoren der bisherigen fossilen Energien ein neues Geschäftsfeld zu eröffnen?
Fakt ist, das Bürgerenergiegenossenschaften sich nicht auf diesem Feld betätigen können, weil hohe Investitionen und besonderes technisches Fachwissen dafür benötigt werden. Im Gegensatz dazu können sich für reine PVAs und WEAs in einer dezentralen Struktur auch Handwerker und kleine Unternehmen engagieren. Die „Nationale Wasserstoffstrategie“ der Bundesregierung schließt den einfachen Bürger von der Wertschöpfung in diesem Marktsegment aus..
Klimaschutz
Wasserstofftechnologie kann auch für den Klimaschutz nützlich sein. Voraussetzung ist, dass der Wasserstoff nur mit überschüssigem regenerativem Strom erzeugt wird und nur zur Speicherung und lokalen Wiederverwendung dieser überschüssigen Energie dient, z.B. als Beimischung im schon existierenden Gasnetz. Sobald eigene Strukturen für die Lagerung, den Transport oder die Rückumwandlung aufgebaut werden müssen, verliert die Wasserstofftechnologie ihren Vorteil für den Klimaschutz und wird zur Quelle von zusätzlichem CO2.
Mobilität und Wasserstoff
Viele Politiker träumen von einer klimaneutralen Mobilität durch Wasserstoff. Dies ist aber nur in klar begrenzten Anwendungsfällen wie bei der Luft- und Seeschifffahrt sowie beim Schwerlastverkehr auf der Straße der Fall. "Allerdings sollten wir im motorisierten Individualverkehr und bei der Gebäudewärme den Einsatz von Wasserstoff oder anderen synthetischen Kraftstoffen von vorne herein ausschließen. In diesen Bereichen wäre das Energieverschwendung." (Zitat DUH Constantin Zerger.)
Fazit zu dem Grundsatzbeschluss des Kreistags
Von den in der Sitzungsvorlage vorgeschlagenen Projekten trägt nur die Lernwerkstatt Zukunftstechnologie wirklich zum Klimaschutz bei. Die anderen Projekte wie die regenerative Wasserstoff-Erzeugungsanlage, die Wasserstofftankstelle, die Anschaffung von Wasserstoffbussen und der Einsatz von Wasserstoffzügen auf der Wieslaufbahn verschlechtern die Klimabilanz im Kreis und sind deshalb ab zu lehnen. Die Hamburger Hochbahn zum Beispiel hat ihre vier Wasserstoffbusse wieder abgeschafft und setzt jetzt auf Batteriebetrieb bei ihren Bussen.
Mein persönliches Fazit
Mit dem Kenntnisstand von heute möchte ich den Gremien im Kreis empfehlen den aus regenerativen Quellen gewonnen Strom direkt zu verwenden und nicht den verlustreichen Umweg über die Wasserstofftechnologie zu gehen. Statt Wasserstoffbusse sollten Oberleitungsbusse mit einer kleinen Batterie für kurze Strecken ohne Oberleitung eingesetzt werden. Statt Wasserstoff betriebener Wieslaufbahn eine Oberleitung für den direkten elektrischen Betrieb der Bahn, um die gravierenden Umwandlungsverluste zu vermeiden.
Der Kreis sollte eine Umwelt- (Klima-) Vergleichsstudie zu den drei möglichen Technologien für Mobilität im ÖPNV (Oberleitung, Batterie und Wasserstoff) erstellen lassen. Erst wenn die Kreisräte die unterschiedlichen Auswirkungen auf den CO2 Ausstoß kennen, können sie auch eine fundierte Entscheidung für eine dieser Technologien treffen. Nach meinem Kenntnisstand scheidet dabei die Wasserstofftechnologie, selbst wenn der Wasserstoff aus Überschussstrom erzeugt wird, am schlechtesten für unser Klima ab.
Quellen:
DUH: "Bei Hochtemperaturprozessen in der Industrie, bei der Luft- und Seeschifffahrt sowie beim Schwerlastverkehr auf der Straße kann grüner Wasserstoff tatsächlich ein Teil der Lösung sein. Allerdings sollten wir im motorisierten Individualverkehr und bei der Gebäudewärme den Einsatz von Wasserstoff oder anderen synthetischen Kraftstoffen von vorne herein ausschließen. In diesen Bereichen wäre das Energieverschwendung. Hier stehen mit batterieelektrischen Fahrzeugen, dem öffentlichen Verkehr und im Gebäudebereich mit besserer Dämmung und der Wärmepumpe andere technische Lösungen zur Verfügung. Diese sind vor allem viel energieeffizienter."
Ulf Bossel: "Wenn man dann analysiert, die ganzen Verluste rechnet, kommt man schnell zu dem Schluss, weshalb es die Wasserstoffwirtschaft in der Vergangenheit nicht gegeben hat, weshalb sie sich heute schwer tut und weshalb sie in Zukunft vermutlich nie kommen wird: Es ist im Grunde genommen ein riesiges Energie-Verlustspiel. Und wir haben keine Energie zu verlieren, sondern wir müssen sehen, dass wir die Energie, die wir gewinnen, sinnvoll nutzen."
Ulf Bossel, Schweizer Maschinenbau-Ingenieur und Brennstoff-Zellen Experte
https://www.br.de/wissen/wasserstoff-energie-kraftstoffe-wasserstoffauto-100.html
Wasserstoffbusse in Hamburg: "Die Hamburger Hochbahn hat den Testbetrieb mit Wasserstoffbussen beendet. Die Technik sei noch nicht so weit, und Hersteller Daimler konnte zuletzt nicht liefern. Doch es gibt schon Alternativen."
Batterie-Obusse in Solingen: "Während der Fahrt unter der Oberleitung nutzt der Bus den Strom aus der Leitung und lädt zugleich die Batterie auf. Auf den Strecken ohne Oberleitung fährt er dann mit Strom aus der Batterie." Der große Vorteil der Kombination: Man braucht nur ein kleines Oberleitungsnetz, braucht keine Standzeiten fürs Laden, die Batterie ist klein und Kosten werden so gespart."
Hier geht es zu meinem spontanen zwei Tage älteren Beitrag mit weiteren Links zum Thema, und hier zur Zusammenfassung meiner Gedanken als Dossier im PDF Format.