19.10. Was sagt die F4F Studie zu Wasserstoff?
Mich hat interessiert, was in der Studie das Wuppertal Institut zum Thema Wasserstoff steht.
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In obiger Grafik erkennt man deutlich, wieviel Wasserstoff benötigt wird, wenn wir klimaneutral wirtschaften wollen.
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In einem klimaneutralen Energiesystem ist mit einem Bedarf an Wasserstoff und gasförmigen sowie flüssigen synthetischen Energieträgern in einer Größenordnung von etwa 400 bis 900 TWh pro Jahr zu rechnen, nur im Falle weitgehender Lebensstiländerungen könnte der Bedarf niedriger liegen. Die Nachfrage nach Wasserstoff und synthetischen Energieträgern in einem klimaneutralen Energiesystem könnte vorliegenden Szenarien zufolge zwischen 25 und 55 Prozent des zukünftigen gesamten Endenergiebedarfs entsprechen und damit etwa dem 8- bis 18-fachen der heutigen (primär auf der klimaschädlichen Reformierung von Erdgas basierenden) Erzeugung von Wasserstoff.
Zumindest ein Teil dieses Bedarfs kann und sollte über eine inländische Erzeugung von Wasserstoff mittels Elektrolyseuren gedeckt werden. Importe sind auf Dauer nur aus Ländern ökologisch sinnvoll, die bereits eine vollständige eigene Bedarfsdeckung mit erneuerbaren Energien erreicht haben und die Wasserstoff bereitstellen können, der aus erneuerbaren Energiequellen stammt. Mit dem Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in Deutschland ließen sich auch entsprechende Wertschöpfungseffekte und Innovationsimpulse in Deutschland auslösen. Wird bis 2035 zumindest eine inländische Bereitstellung von 150 bis 200 TWh Wasserstoff als notwendig angenommen, macht dies bis dahin den Aufbau einer Kapazität an Elektrolyseuren in Höhe von voraussichtlich mindestens 40 und bis zu 90 GW erforderlich (unter anderem in Abhängigkeit der realisierbaren Volllaststunden der Elektrolyseure). Die Bundesregierung strebt im Rahmen ihrer Wasserstoffstrategie hingegen gegenwärtig bis 2035 eine entsprechende Kapazität in Höhe von maximal 10 GW an. In vorliegenden Szenarien, die ein klimaneutrales Energiesystem bis 2050 beschreiben, werden bis 2035 maximal rund 20 GW an Elektrolyseuren in Deutschland angenommen.
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Im Vergleich zu den bisher vorliegenden Studien besteht nicht zuletzt hinsichtlich der Geschwindigkeit der Einführung und Marktdurchdringung von auf erneuerbaren Energien basierenden gasförmigen oder flüssigen synthetischen Energieträgern wie insbesondere Wasserstoff ein großer Unterschied. Die heute noch zum Teil hohen Kosten dieser Energieträger müssten schnell überwunden werden und es muss mit Nachdruck an dem Aufbau internationaler Märkte gearbeitet werden. Um schnell Effekte erzielen zu können, könnte über eine umfassende Beimischungsquote für ausschließlich klimaneutrale Brennstoffe nachgedacht werden, die bereits innerhalb der nächsten Jahre eingeführt und dann kontinuierlich gesteigert würde.
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(2) Wegen der langen Lebensdauer von Industrieanlagen – vor allem im Bereich der energieintensiven Industrie – dürfen ab heute ausschließlich THG-Neutralitätskompatible Neuinstallationen erfolgen, andernfalls würde ein kaum mehr vor 2035 lösbarer Lock-In in fossile Anlagen entstehen. Sofern die sichere Möglichkeit der Umstellung, wie etwa von Erdgas auf grünen Wasserstoff, mit einer klaren zeitlichen Perspektive gegeben ist, können manche dieser Anlagen anfangs noch fossil betrieben werden.
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Für größere Lkw ist eine Umstellung auf Brennstoffzellen und damit Wasserstoffantrieb eine Option. Aufgrund der üblichen Fahrzeuglebensdauern von rund zehn Jahren ist für den notwendigen umfassenden Umbau innerhalb von fünfzehn Jahren keine lange Übergangszeit mehr erlaubt. Verbleibende konventionelle Fahrzeuge (vor allem im Bereich des Güterverkehrs) und der Luftverkehr müssten mit synthetischen Kraftstoffen betrieben werden. Im Güterverkehr ist zudem der Aufbau einer Oberleitungsstruktur entlang der Autobahnen eine sinnvolle Option, um eine weitgehende Elektrifizierung zu erreichen.
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Bei einem Ausbau von 15 GW pro Jahr wäre Deutschland zur Deckung seines Energiebedarfs zusätzlich auf den Import erheblicher Mengen an klimaneutral erzeugtem Wasserstoff oder synthetischen Energieträgern angewiesen. Für deren Erzeugung müssten in den Exportländern wie etwa in Irland, Norwegen oder Marokko erhebliche Erneuerbaren-Kapazitäten errichtet werden. Ob ein derart großskaliger Import bis 2035 realisiert werden kann, ist aufgrund des Zeitbedarfs für die Planung und Umsetzung von Erzeugungsanlagen und Transportinfrastrukturen keineswegs sicher. Auch geopolitische Bedenken könnten limitierend wirken. Zudem sollte die Prämisse gelten, dass zunächst die Deckung des eigenen Bedarfs an klimaneutralen Energieträgern in den Exportländern Vorrang hat.
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Parallel zum beschleunigten Ausbau der Wind- und Photovoltaik-Anlagen müssen auch zusätzliche Stromspeicher errichtet werden, um sicherzustellen, dass das Stromangebot jederzeit mit der Stromnachfrage in Deckung gebracht werden kann. Dabei ist zwischen unterschiedlichen Speicherbedarfen zu unterscheiden. Für den kurzfristigen Ausgleich von Angebot und Nachfrage (etwa im Bereich von Minuten bis Stunden) eignen sich neben Pumpspeicherkraftwerken auch Batterien. Für den längerfristigen Ausgleich (Tage bis Monate) eigenen sich chemische Speicher wie Wasserstoffspeicher. Der tatsächliche zukünftige Speicherbedarf und die Aufteilung auf verschiedene Speicherarten sollte unter Beachtung der Wechselwirkungen im Gesamtsystem bestimmt werden. Beispielsweise hat Wasserstoff im zukünftigen Energiesystem nicht nur eine Funktion als Langzeitspeicher, sondern dient zugleich auch als potenziell treibhausgasneutraler Endenergieträger in den Sektoren Verkehr und Industrie. Eine solche doppelte Funktion kann zu (kostendämpfenden) Synergien im Gesamtsystem führen.
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Dabei ist zu betonen, dass für eine vollständige Umstellung auf klimaneutrale strombasierte Energieträger weitgehende Reduktionen des Brenn- und Kraftstoffbedarfs nicht zuletzt durch Effizienzsteigerungen, veränderte Lebensstile und eine Realisierung der Potenziale zur direkten Nutzung von Strom (beispielsweise in Form von Wärmepumpen und Elektroautos) von zentraler Bedeutung sind. Dies verdeutlicht die folgende hypothetische Überlegung: Würde der gesamte gegenwärtige fossile Brenn- und Kraftstoffbedarf alleine der Sektoren Verkehr und Gebäude durch synthetische (strombasierte) Energieträger gedeckt werden müssen, so würde dies aufgrund der hohen Umwandlungsverluste bei deren Erzeugung zu einem zusätzlichen Strombedarf von rund 2400 TWh führen. 32 Dies entspricht der vierfachen Menge des gesamten derzeitigen Strombedarfs in Deutschland. Zwar könnte die teilweise Nutzung von elektrolytisch erzeugtem Wasserstoff gegenüber synthetischen Energieträgern den Strombedarf aufgrund niedrigerer Umwandlungsverluste etwas reduzieren, aber auch dann wären angesichts der in Deutschland begrenzten ErneuerbarenPotenziale sehr große Importe klimaneutraler Energieträger notwendig. Solche Importe dürften in dieser Größenordnung kaum realisierbar sein, schon gar nicht falls andere Länder eine vergleichbare Nachfrage hätten.
Fazit: Ich gebe hier auf. Die Aussagen in der Studie wiederholen sich immer wieder. Es wird sehr viel Wasserstoff benötigt um klimaneutral zu sein. Das zu realisieren bedeutet einen sehr großen finanziellen und organisatorischen Aufwand. Dazu ist unsere Gesellschaft wohl noch nicht bereit.
Die TAZ berichtet schon über die ersten negativen Auswirkungen der Wasserstoff Initiative der Bundesregierung:
„Grüner“ Wasserstoff aus dem Kongo: Energiewende auf Afrikas Kosten
Mit Strom aus den Wasserkraftwerken am Kongo-Fluss will Deutschland „grünen“ Wasserstoff gewinnen. Dabei bräuchte Afrika den Strom selber.